Spargel-Bashing – Hobbyköche an den Herd!

Autor:
Chefkoch Thomas Sixt ist Food Fotograf, Kochbuchautor und Blogger.
Hier teilt er Rezepte, beantwortet Kochfragen und hilft beim Kochen.
Gerade las ich eine Kolumne, die mich mehr zum Schmunzeln brachte als jede Komödie der letzten Zeit.
Weißer Spargel, so hieß es dort, sei „der alte weiße Mann der Kulinarik“.
Ein Auslaufmodell. Ein Symbol für alles, was falsch läuft.
Ein Gemüse im Ruhestand, das dringend abgelöst gehört. Von was?
Keine Ahnung. Wahrscheinlich von Tofu mit Haltung.
Wer Spargel auf diese Weise politisiert, tut etwas ganz Eigenartiges:
Er hebt ein schlichtes, köstliches, saisonales Gemüse auf die Bühne des moralischen Spektakels – und versucht, ihm dort einen Prozess zu machen, der mit Geschmack nichts mehr zu tun hat.
Kulinarisch ist das etwa so sinnvoll wie Béchamelsauce mit Sojamilch zu binden.
Was in der Debatte völlig fehlt: der grüne Spargel.
Der war übrigens bis Mitte der 1990er deutlich teurer als der weiße und galt als Delikatesse in der gehobenen Küche.
Auch in Italien, Spanien oder den USA hatte der grüne Bruder längst Kultstatus, als bei uns noch der Kochtopf mit Zuckerwasser und Butter auf dem Herd stand.
Wer also glaubt, mit einer Farbe sei alles gesagt, kennt offenbar nur die halbe Geschichte – und den halben Geschmack.
Als Koch empfehle ich dir beide Varianten.
Weißer Spargel, richtig zubereitet – mit Biss, Butter und einem Hauch Muskat – ist für mich kein Relikt, sondern ein Fest.
Grüner Spargel, gebraten oder gegrillt, entfaltet Aromen, die jede Diskussion am Küchentisch verstummen lassen. Und das ist doch das Ziel, oder?
Natürlich – das gehört dazu – müssen wir über faire Erntebedingungen sprechen.
Jeder, der mit Lebensmitteln arbeitet, kennt die Herausforderungen.
Doch ein Gemüse zu canceln, weil das System nicht rund läuft, ist wie dem Brotmesser die Schuld an der Diät zu geben. Verantwortung liegt bei den Strukturen – nicht bei der Stange Spargel.
Ich sehe die Sache so und das ist meine Meinung als Koch:
Während andere über Identitätspolitik auf dem Teller philosophieren, stehe ich am Herd.
Weil Kochen mehr ist als Meinung – es ist Handwerk, Genuss, Erfahrung.
Und manchmal – ja, das darf man sagen – auch einfach Liebe zur Sache.
Oder zu einem ganz bestimmten Gemüse, das zufällig weiß ist, frisch gestochen, leise quietscht beim Schneiden und in Butter gebadet jede Diskussion zum Schweigen bringt.
Wer das nicht schmeckt, muss vielleicht einfach mal wieder essen statt urteilen.
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